Arbeiten an unserem Segelboot

Veröffentlicht am 8. Februar 2025 um 20:28

Wassereinbruch, einen Besuch in der Notaufnahme und kaputte Elektronik haben wir gerade hinter uns. Vor uns liegen noch immer endlose to-do-Listen mit Bootsjobs. Wann können wir endlich lossegeln?

Wassereinbruch in der Bilge

Auf dem Trockendock haben wir neue Seewasserventile eingebaut und die Logge (Rad, welches die Geschwindigkeit durchs Wasser misst) mit einem neuen Propeller ausgestattet. Beides passiert direkt am Rumpf des Bootes, so erfordert dies höchste Präzision, denn wenn hier gepfuscht wird, läuft das Boot später mit Wasser voll.

Als uns der grosse Kran zurück ins Wasser hievt, springen wir sofort aufs Deck und checken die Bilgen (tiefster Punkt vom Boot). Bei den Seewasserventilen ist alles in Ordnung, doch um die Logge herum ist es nass. Woher kommt dieses Wasser? Wird es schnell mehr? Sinken wir?!
Wir schauen uns entsetzt an. Ich baute diese Logge ein und mit Gewinden habe ich es nicht so. Bei mir verkanten diese gerne und ich drehe gefühlt hundert mal wieder auf und zu. So auch bei der Logge. 
Doch Entwarnung! Das Wasser ist nicht salzig, so kommt es nicht von aussen. Wir putzen es auf und ab dann bleibt es trocken. Puuh!

Der erste Abend an Bord ist wunderbar. Wir geniessen den Sonnenuntergang und das Leben auf Ti Moun.

Im Mast oben

Auf einem Segelboot wird man vom Wind fremdbestimmt. Er sagt wohin wir segeln, wann wir das tun und auch ab wann wir ein Problem haben. Das Instrument, welches den Wind misst, nennt man Anemometer. Es befindet sich oben am Mast und besteht aus zwei Teilen. 

Der Pfeil zeigt an, aus welcher Himmelsrichtung der Wind kommt. Das Windrad darunter zeigt an, wie viel Wind gerade herrscht. In der Seefahrt misst man Wind in Knoten, nicht in km/h. 1 Knoten entspricht 1,852 km/h.

Die Beaufortskala ist eine Skala zur Einteilung der Windstärke.

Unser Anemometer zeigt leider genau gar nichts an. Fast das wichtigste Instrument an Bord verweigert den Dienst! Das geht natürlich nicht, so wollen wir dieses Problem als erstes lösen.

Um auf den Mast zu klettern, braucht man einen Bootsmannstuhl (vergleichbar mit einem Klättergstältli), ein Fall (Seil vom Mast) und jemand vertrauenserweckendes an der Winsch (Kurbel). 
Luca klettert hoch, ich sichere ihn mit der Winsch. Meine Arme sind schon aus Pudding, bevor Luca die Hälfte erreicht hat. Oben angekommen sprüht er eine ordentliche Ladung WD40 auf die Kugellager und das Anemometer dreht sich wieder! Doch als Lucas Füsse den Boden berühren stoppt auch das Anemometer. Was?!

 

Ich schaffe es gerade nicht, ihn nochmals hochzuziehen, also werden die Rollen getauscht. Ich klettere, er kurbelt.
Die Idee: Das Windrad an der Mastspitze hängend abzuschrauben, dabei weder die winzige Schraube noch den Schraubenzieher oder das Windrad ins Meer fallen lassen, alles putzen, schmieren und wieder anschrauben.
Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so nervös. Natürlich ist die Schraube von unten eingesetzt, also wenn sie lose ist, fällt alles aufs Mal runter. Ich schaffe es glücklicherweise, die Teile aufzufangen und beginne zu putzen. Sehr viel Dreck und Staub löst sich.
Als alles frisch geschmiert montiert ist, dreht sich das Windrad wie am Schnürchen. Auch als ich wieder unten an Deck stehe, dreht es sich immer noch. Yes!

Doch eine Stunde später nicht mehr - nada! Fortsetzung folgt...

Neues Rigg oder wie man schnell 3'000 Euros ausgibt

Als wir Ti Moun gekauft hatten, meinte der Experte, das Rigg (also die Stahlseile, die den Mast halten) müssen erneuert werden. 

Da dies ein grosser Kostenpunkt und auch enorm wichtig für die Sicherheit des Bootes ist, lassen wir die Arbeit von einem Profi machen.
Nach einem sauberen Anlegemanöver von Luca steht Ti Moun am Dock des Riggers. Wir gehen einkaufen und als wir zurück sind erwischt uns die Botschaft des Riggers kalt: Wir brauchen nicht nur ein neues Vorstag (Stahlseil), sondern auch ein neuer Genuafurler (Trommel auf welcher das Vorsegel aufgerollt wird). Diese ist sacketeuer!

Doch dafür sind die anderen Stage in einem besseren Zustand als gedacht und es müssen nur ein paar kleinere Teile ersetzt werden. Nach 3 Tagen am Dock haben wir nun ein einwandfreies Rigg und auch noch einen neuen Freund vom Trimaran nebenan gefunden.

Besuch in der Notaufnahme

An manchen Tagen können wir einige Jobs von der Liste streichen, an anderen Tagen hängen wir ewigs am gleichen Punkt fest.

So auch heute. Wir sind schon den ganzen Tag auf Achse, aber nichts klappt. Entweder fehlen Teile, die erdachte Lösung funktioniert trotzdem nicht oder etwas anderes geht kaputt. Die Stimmung ist angeschlagen, wir sind beide gereizt.

Luca möchte eine Schraube aus einem scharfen Metallteil drehen, doch er schlipft ab. Das Metall schneidet durch seinen Mittelfinger, überall ist Blut. Als das Blut auch nach ein paar Minuten nicht weniger wird, wissen wir, der Schnitt ist tief.

Wir rufen meine Schwester an. Sie als Ergotherapeutin kennt sich mit Handverletzungen aus. Sie rät uns, einen Arzt/ Ärztin aufzusuchen, um sicherzustellen, dass keine Sehne oder Nerven verletzt sind und um den Schnitt zu nähen.

Der erste Arzt im Hafen nimmt keine Notfälle an. Er gibt uns die Adressen eines Kollegen, der aber zu Fuss ca. 45min entfernt ist. Als wir in diese Richtung marschieren, sehen wir das Spital. Sollten wir es nicht besser direkt hier versuchen?

Am Empfang sagen sie uns, dass sie keine Handverletzungen annehmen. Wir müssen wohl nach Fort-de-France in die Handklinik. 
Etwas erschöpft und ungehalten erwidern wir, dass wir ja nicht einmal wissen, ob die Verletzung schlimm ist! Bis jetzt haben sich alle geweigert, die Verletzung überhaupt anzusehen.

Eine Krankenpflegerin hört aus der Ferne zu. Sie mischt sich ein und meint, der Arzt Soundso hätte gerade Zeit. Sie würde uns zu ihm mitnehmen. Dankbar gehen wir mit. 

Als der Arzt den schnell angelegten Verband von uns entfernt, schiesst das Blut erneut hervor. Als er Lucas Finger streckt und dreht, meint Luca, er spüre alles. So weit so gut. Der Arzt näht den Schnitt mit drei Stichen zu, um die Blutung zu stillen.
Er empfiehlt, wir sollen am Tag darauf per Ultraschall die Sehnen kontrollieren lassen. Dies im Gebäude nebenan. Die Krankenpflegerin begleitet uns, während dem wir Formulare ausfüllen, Rechnungen bezahlen und häufig nur Bahnhof verstehen. All dies geschieht natürlich auf Französisch, niemand spricht Englisch.

Am Tag darauf treffen wir im Ultraschall und Röntgen Gebäude ein. Wir zeigen den Zettel von gestern. Die Arztsekretärin fragt, ob wir denn einen Termin hätten. Wir zeigen auf den Zettel, ja doch!
Sie schüttelt den Kopf. Auf dem Zettel steht nur ein provisorischer Termin, man muss den erst telefonisch bestätigen. Oh mann, dafür sind wir um 6:30 Uhr vom Boot losgefahren! Wir fragen, ob wir den Termin jetzt bestätigen können. Sie bleibt hart. Wir müssen morgen nochmals kommen.

Tags darauf: Der Röntgenstrahl klickt, doch der Computerbildschirm bleibt schwarz. Die Ärztin versucht es nochmals. Nichts.
Scheinbar ist das Röntgengerät kaputt. Wir gehen in einen anderen Saal, da funktioniert alles. Mit dem Knochen und den Knorpeln ist alles in Ordnung.

Der Arzt vom Ultraschall ist toll. Er nimmt sich Zeit, lehrt uns die Französischen Worte für die einzelnen Finger und erklärt genau, was er macht. Er staunt, als er die Schnitttiefe misst: Luca hat sich 8mm tief in den Finger geschnitten und ganz knapp vor der Sehne gestoppt. Nicht mal einen halben Millimeter weiter und wir hätten nach Fort-de-France in die Handklinik gemusst. Puuuh, Glück gehabt!!

10 Tage später darf ich die Fäden ziehen. Der Finger ist glücklicherweise gut verheilt.

Danke an die Ärzte und danke an meine Schwester für die gute Beratung! :-)

Schöne Momente

So streng das Leben mitten in einem Boots-Refit ist, es hat auch seine schönen Seiten hier in der Karibik.

Wir feiern Lucas Geburtstag mit Lorenzo, dem Schweizer vom Trimaran. Der Kuchen geht zwar etwas in die Hose, der Nachmittag am Strand und das leckere Abendessen sind dafür top.
Luca freut sich sehr über den Zustupf an die Fischerrute und die Harpune. Auch die Segelschuhe gefallen ihm sehr! Er lässt allen ein herzliches Dankeschön ausrichten! :-)

Alltag an der Boje

Wir starten jeden Tag mit irgendeinem Bootsjob. Es gibt viel zu tun, jedoch konnten wir auch schon einiges abschliessen:

  • Seeventile austauschen
  • alle Luken wasserdicht machen, neue Dichtungen einziehen
  • Stellen, an denen Regenwasser eingedrungen ist, abdichten (Kompass und Davidsstangen aussen)
  • div. Scharniere, Hydraulikzylinder und Federn austauschen
  • Lampen ersetzen, Dampfer- und Ankerlicht einbauen
  • Ankerkette + Ankernuss ersetzen, Ankerkralle spleissen
  • Gasschläuche und Flaschen ersetzen
  • Bürokratie (Versicherung abschliessen, Zertifizierung umschreiben lassen, etc.)
  • Feuerlöscher & Löschdecke kaufen
  • Wasserschaden Backbordkoje beheben (neue Seitenwand einbauen)
  • Küchenoberfläche abschleifen und polieren
  • Motor überholen, neuer Impeller (Gummischaufelrad von Motorkühlung) einsetzen und Filter wechseln
  • Route planen

Der Autopilot - unser Geduldsfaden-Tester

Bei dem Gutachten hat der Experte gemeint, wir müssen den Autopiloten neu kalibrieren lassen. Eine Sache, die etwa eine Stunde dauert.
Wir lernen Charles kennen. Er kommt nach seinem Feierabend als Schiffselektriker vorbei und will uns diese Arbeit unter der Hand erledigen.

Am ersten Abend klappt es nicht. Am nächsten auch nicht. Ist der Computer kaputt? Einen Ersatz wird hergeschafft. Immer noch nichts. Ist es der Rudersensor? Charles bringt uns ebenfalls einen Ersatz mit. Nichts.
Liegt es am Kompass? Wir finden den Aufkleber 'Achtung Kompass', doch da ist kein Kompass verbaut. Wo ist unser Kompass?

Im Kabelchaos suchen wir nach dem Kompasskabel. Wir ruckeln daran und fühlen den Kabelschläuchen entlang. Das Ruckeln führt uns zu einem absolut unzugänglichen Teil im Rumpf von Ti Moun. Wir schrauben die Sitzbank des Sofas auseinander, um darunter schauen zu können. Noch einmal durch eine Holzwand abgetrennt muss es ein winziges Fach geben, von allen vier Seiten her geschlossen. Wir drücken die Handykamera durch den winzigen Spalt und da liegt er - unser Kompass! Einfach reingeschmissen, nicht angeschraubt. Und ein Schiffskompass muss exakt aufgehängt sein, damit er funktioniert. Haben wir das Problem somit gelöst?

Natürlich nicht. 

Zwei Wochen sind vergangen. Der Autopilot ist Gesprächsthema Nr. 1. 
Alle versuchen uns zu helfen und Tipps zu geben. Lorenzo hilft uns die Spannungen zu messen, Jaques von Diginav erklärt uns, welche Teile womit kompatibel sind, Patric von Electronics gibt uns telefonische Ratschläge - doch nichts funktioniert.

Unsere Familien fragen bei jedem Videocall, wie denn der Stand sei. Momentan ist der Autopilot-Computer gerade bei Jean-Philippe, die Hoffnung ist gross. Am Montag wissen wir mehr...

Technische Details zu unserem Navigationssystem für alle interessierten Segler*innen / Elektroniker*innen:

Unser gesamtes Navigationssystem ist von Raymarine. 
Der Plotter ist ein Element HF9. Er ist angeschlossen an den SmartPilot S2 Computer. 

Die Daten an diesen Computer schicken:

  • Fluxgate Kompass (nicht der EV1, sondern noch der alte, mechanische)
  • Autopilotscreen P70, neuste Version
  • Rudersensor E70100

Alle Teile kommunizieren miteinander über SeaTalk, nicht über SeaTalk ng.
Die Messwerte von Kompass und Rudersensor stimmen mit den von Raymarine vorgegebenen überein. Der Computer wurde extern getestet, dort funktionierte alles tadellos.

Falls jemand Tipps hat oder weiss, warum beim Autopiloten immer 'no heading' und 'no sources' kommt, bitte melden! 

Ausblick

Nach etwa 6 Wochen auf Ti Moun mit allen Höhen und Tiefen, ist langsam ein Ende der dringenden Arbeiten in Sicht.

Wir können es kaum erwarten, bald die Leinen an der Boje zu lösen und die Ankerbuchten von Martinique auszukundschaften. Die Bootsjobs werden nie fertig sein, das gehört zum Bootsleben dazu, jedoch können wir hoffentlich in näherer Zukunft den Morgen zum Arbeiten nutzen und am Nachmittag segeln oder schnorcheln gehen. Bald schon werden wir von farbigen Fischen, Tauchspots und tollen Wanderungen berichten.

Bis dahin müsst ihr euch mit ein paar schönen Sonnenuntergängen begnügen. ;-)


Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.