Transatlantik, 1. Etappe
Warum Luca mitten im Atlantik unter das Segelboot tauchen musste und wie uns die Dirk (wichtige Leine an Bord) riss, erfährst du in den folgenden Zeilen.
Wie wir die Bossa Nova gefunden haben
Noch in Malaga hatten wir über die Homepage 'Hand gegen Koje' diesen 50 Fuss grossen Katamaran entdeckt. Doch die Anzeige war schon länger auf der Plattform und die Besitzer wollten auch schon in ein paar Tagen in Norddeutschland lossegeln. Mit wenig Hoffnung schrieben wir sie an einem Donnerstag an, ob sie denn noch zwei Plätze frei hätten.
Unverzüglich kam eine Antwort: Ja, es wäre noch eine Koje frei. Aber da sie schon am Montag lossegeln, müsse unsere Zusage relativ rasch kommen. Am Freitag bei einem Videocall lernten wir die beiden Eigner kennen.
Nachdem ein paar Grundfragen geklärt waren, baten wir noch um eine Nacht Bedenkzeit. Doch schon als Luca und ich eine Stunde später in der Altstadt von Malaga einen Drink schlürften, war uns klar, dieses Boot ist dasjenige, welches uns über den Atlantik bringen wird. Wir sagten zu und ein paar Wochen später standen wir mit all unserem Hab und Gut auf dem Pier in Las Palmas und warteten auf das Dinghy, das uns abholen sollte. Als erstes begrüsste uns Loui, der Bootshund. ;-)
Der Katamaran
Als uns das Dinghy an Bord bringt, bleibt uns der Mund offen stehen. Dieses Schiff hat eine Waschmaschine, eine Spülmaschine und in jeder Koje ein eigenes Bad!! Auch gibt es einen Generator und einen Wassermacher, also sind die beiden normalerweise stark rationierten Güter Strom und Frischwasser fast unbegrenzt verfügbar. Wir haben zwei Kühlschränke und zwei Gefrierschränke, in welchem wir die meisten Lebensmittel lagern können.
Nicht nur einrichtungstechnisch ist die Bossa Nova gut ausgestattet, auch vom Segeln her kommt sie mit allerlei Annehmlichkeiten daher. Alle Winschen sind elektrisch, sie hat einen ganz modernen Autopiloten (wobei auch der immer mal wieder aussteigt) und die Wachen können im Salon gehalten werden, so dass man nicht einmal draussen in Wind und Wetter stehen muss.
Provisioning
Wir sind zu acht auf dem Boot. Geplant ist, von Las Palmas direkt nach Martinique zu segeln, wofür man ca. 21 Tage braucht. Wenn beispielsweise jeder eine Frucht pro Tag essen möchte, müssten wir 168 Früchte an Bord lagern. Dazu fehlt schlichtweg der Platz, geschweige denn würden die Früchte so lange halten. Also ist es ein grosses Abwägen, welche Lebensmittel haben Vorrang, wo verstauen wir sie und vor allem, wie viel davon brauchen wir wirklich.
Als wir lossegeln, merken wir, dass wir nicht von allen Lebensmittel genügend dabei haben. Ebenso fehlt der Wind auf dem Breitengrad der Kanaren, um direkt in die Karibik zu segeln. Also beschliessen wir, die 800sm südlich zu den Kap Verden als erste Etappe zurückzulegen und dort noch einmal Halt zu machen.
Wie man auf dem Atlantik etwas überfahren kann
Am zweiten Abend erzählt Susi, dass auf ihrer Nachtwache komisch blinkende Lichter in den Farben rot, grün und blau am Boot vorbeigezogen sind. Sie hätte fast das Gefühl gehabt, es wären UFOs gewesen. Wir rätseln, was das denn gewesen sein könnte.
Als es eindunkelt sitzen wir gemütlich im Salon, als der Skipper aufmerkt: "Da sind wieder diese Lichter!"
Wir schauen uns um, etwa 6-8 grün blinkende Lichter sind um uns herum. Plötzlich rumpelt es am Rumpf der Bossa Nova. Mit einer Taschenlampe geleuchtet wird schnell klar, wir sind in ein grosses Fischernetz gefahren. Die grün blinkenden Bojen signalisieren den Anfang und das Ende des Netzes. Dazwischen verläuft eine daumendicke Leine mit Schwimmern versehen, damit das Netz an der Oberfläche bleibt. Unten im Netz sind Gewichte eingewebt, so wird das Netz gespannt.
Wir stecken nun mit beiden Propellern in dieser Leine, ein grosser Teil des Netzes hängt unter der Bossa Nova. Zuerst wird das Dinghy zu Wasser gelassen um einen Grossteil des Netzes durchzuschneiden. Nach ungefähr einer Stunde kriegen wir Gesellschaft. Die Fischer, welchen dieses Netz gehört, fahren mit ihrem Kutter ganz nahe an uns ran und schreien auf Französisch unverständliche Dinge hinüber. Wir wissen nicht, ob sie Geld wollen, weil wir gerade ihr teures Netz zerschneiden, oder ob sie uns etwas anderes mitteilen wollen. Wir ignorieren sie so gut es geht, und säbeln weiter.
Nach 2 Stunden hängt das Netz nur noch in den Propellern und den Rudern. Es hilft nichts, wir müssen tauchen gehen, um das Netz lösen zu können und wieder manövrierfähig zu werden.
Der Skipper, Susi und Luca springen mit Maske und Messer bewaffnet in den 3'000m tiefen, pechschwarzen Atlantik. Wir anderen sind das Oberflächen-Team. Wir leuchten mit Tauchlampen (danke Uni-Team!), schauen dass die Sicherheitsleine neben ihnen schwimmt und nehmen abgeschnittenes Netz entgegen. Nach nochmals einer Stunde sind wir befreit. Die Fischer sind irgendwann einmal weitergefahren, da bei uns nichts zu holen war und wir konsequent vermieden haben, Französisch zu sprechen. Was für eine Aufregung!
Wir fahren weiter, meine Schicht von 00:00 - 02:00 Uhr beginnt und wir sind immer noch von diesen blinkenden Bojen umgeben. Ich stehe 2 Stunden am Bug und leuchte mit der Tauchlampe aus, so dass wir nicht mehr kollidieren. Puuh!
Unzählige Delfine
Jeden Tag kommen Delfine ans Boot um mit den Bugwellen zu spielen. Manche bleiben über 20 Minuten, andere verschwinden nach einem kurzen Moment in der Tiefe des Ozeans. Es kommen immer wieder neue Arten hinzu, die wir noch nie gesehen haben. Eine Art ist grösser als alle anderen und gefleckt. Wie nennen sie Dalmatiner-Delfine. Leider haben wir nur ein grosses Fischbestimmungs-Buch an Bord, aber keines für im Wasser lebenede Säugetiere. Darum wissen wir den tatsächlichen Namen nicht.
Ebenfalls täglich werden wir von fliegenden Fischen begleitet. Sie springen vor dem Boot aus dem Wasser und gleiten dann bis zu 15m an der Wasseroberfläche entlang, bis sie wieder eintauchen. Manchmal erwischen sie leider die falsche Richtung und landen auf dem Boot. Da vertrocknen sie kläglich bis nur noch Schuppen an den Besuch erinnern.
Angelglück hatten wir mehrfach. Zwei echte Bonitos und eine gemeine Goldmakrele hingen an den Haken und wurden genüsslich von uns verspeist.
Die Dirk reisst
Jede Leine (Seil auf Bootssprache) an Bord hat irgendeinen Zweck. Manche einen wichtigeren, andere können einfacher ausgetauscht werden. Es gibt verschiedene Dicken, Längen und Materialien. Heute ist uns die Dirk gerissen. Diese dient dazu, den Baum oben zu halten und ist eine der längsten Leinen des Bootes. Sie geht vom Ende des Baumen bis ganz nach oben in den Mast, durch ihn runter und wird dann an Deck festgemacht.
Ich habe nicht mitgekriegt, wie das passiert ist und setze mich, nachdem ich aufgestanden bin, oben auf der Brücke an die Sonne. Ob mir höre ich es ächzen und knarzen, doch das ist ja normal. Plötzlich kommt Luca auf mich zu und meint, ich solle sofort da weg!
Er weist mich darauf hin, dass die Dirk gerissen ist und der Baum mitsamt zusammengerolltem Grosssegel (ca. 200kg) nur noch an den dünnen Lazy-Jacks hält. Und das genau über meinem Kopf! Wie lange das so hält, ist fraglich.
Also sind wir auf den Kap Verden nun auch noch auf Leinen-Suche...
Ob wir eine neue Leine finden, genügend Obst kaufen und wirklich in der Karibik ankommen, lassen wir euch im nächsten Beitrag wissen.
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Kommentare
Oh wow!! Vivi, du bist voll im Krimi!! Pass auf dich auf, und steig nicht zu hoch rauf!! Noch viel Spass und viel Sorge im angenehmen Nass♥️♥️