Auf dem Katamaran 'too wild'
Meine Füsse sind in der Koje verkeilt, während dem ich irgendwo auf dem Atlantik diese Zeilen schreibe und Luca die Fotos für den Text bearbeitet. Wir wackeln im Gleichtakt hin und her. Nun erzählen wir euch eine Geschichte über wilde Abenteuer mit einer ganz besonderen Crew.
Der Affenberg von Gibraltar
In Malaga klettern wir mit all unserem Gepäck auf einen Wellenbrecher in der Nähe des Hafens. Mit dem Dinghy und einem riesigen Lachen im Gesicht holt uns Martin, der Skipper der 'too wild', ab.
Schon lernen wir die restliche Crew kennen. Mit Christina aus den USA, Marion & Kai aus DE, Nikolaus aus A und Hannes aus der Schweiz soll es in zwei Wochen von Spanien bis zu den Kanaren gehen.
Martin ist schon seit vielen Jahren auf den Weltmeeren zuhause. So kennt er Gibraltar gut und meint, 24€ als Eintritt für den Affenberg wäre überteuert. Ob wir bereit wären, eine Abkürzung zu wagen? Natürlich!
So folgen wir einem verwucherten Weg, der sich immer mehr zu einem Trampelpfad wandelt, bis er sich dann bei einem hohen Zaun ganz auflöst. Wir schieben uns seitlich durch die Lücke, die zwischen zwei Eisenstangen aufklafft. Auf der anderen Seite ist nur noch Dickicht. Wir schlängeln uns unter Lianen durch, klettern verfallene Mauern hoch und zerkratzen uns an den Dornbüschen. Mit jedem Höhenmeter wird das Durchkommen schwieriger und die Aussicht schöner!
Nach 2h mühseligen Weg-Suchens treffen wir wieder auf die asphaltierte Strasse. Zerkratzt, verschwitzt und mit Blättern und Dreck im Haar stehen wir zwischen den anderen Touristen. Wir lechzen nach einem kalten Getränk, werden aber aufgehalten, da wir kein Bändeli am Handgelenk tragen. Ohjee, dass unser illegaler Aufenthalt so sichtbar sein würde, haben wir nicht erwartet!
Nun heisst es, unauffällig das Handgelenk zu verbergen und sich durchzuschmuggeln.
Wir finden dann doch noch einen Eistee und eine Glace, welche aber von einem Affen fast geklaut worden wäre. Niko verteidigt sein Eis tapfer, während Christinas Sonnenbrille den Affen zum Opfer fällt und erst später mühselig geborgen werden konnte. Was für ein Abenteuer!
Wo die Orcas leben
In La Linea kaufen wir für die kommenden zwei Wochen Proviant ein. Es sind vor allem lange haltbare Nahrungsmittel wie Zitrusfrüchte, Peperoni, Kürbis, Kartoffeln, Reis, Pasta und Dosengemüse. Immer zwei Crewmitglieder sind in der Kombüse eingeteilt und kochen am Mittag und Abend für die gesamte Besatzung.
Kurz bevor wir ablegen stellt uns Martin den Schichtplan vor. Die Tagesschicht dauert eineinhalb Stunden, die Nachtschicht eine Stunde. Er macht uns mit den Navigationsgeräten vertraut und meint, wir sollen auch nach Orcas Ausschau halten.
Diese iberischen Orcas, insbesondere eine Familie mit 37 Meeressäuger, sind bekannt dafür, mit Booten zu 'spielen' und sie dabei manövrierunfähig zu machen. Seit 2020 gab es über 700 Interaktionen und insgesamt 7 versenkte Boote. Verletzte Personen gab es dabei keine. Grösstenteils sind es Segelboote unter 15m Länge, die von den Orcas an Rumpf und Ruder beschädigt werden. Wir gehören genau in diese Kategorie und fahren nun die nächsten ca. 36 Stunden durch ihr Territorium - bravo! Ob wir welche antreffen werden?
Wir entdecken tatsächlich eine schwarze Flosse in den Atlantikwellen und sind zuerst ganz beunruhigt. Doch es ist glücklicherweise ein Grindwal, auch Pilotwal genannt und kein Orca. Diese grosse Delfinart ist harmlos und wunderschön zu beobachten.
Von glitzernden Schuppen und grauer Haut
Plötzlich ein Surren - die Schnur der Angelrute rauscht aus! Ein Fisch, und was für einer! Der Skipper Martin ziehen ihn langsam zum Boot. Die gelben und blauen Schuppen glitzern im Sonnenlicht, es ist ein Goldmakrelen-Weibchen, sicher 60cm lang und wunderschön. Weniger schön ist der Stich mit dem Tauchmesser direkt hinterm Auge, welcher sofort das Rückgrat durchtrennt. Aber naja, wer Lebendiges essen will, muss es auch töten können. Luca und ich schauen gebannt zu und lernen, wie das Filetieren funktioniert. Unser eigenes Fischmesser wird damit eingeweiht.
Später essen wir unglaublich leckeres Ceviche. Das ist roher Fisch, in Zitronensaft eingelegt und mit Gemüse als Salat angerichtet.
Nachtwache
Das Leben während einer Passage ist einzigartig. Man ist über mehrere Tage auf engstem Raum mit fremden Menschen unterwegs, in einer lebensfeindlichen Umgebung.
Alles ist getaktet. Es wird nach Plan gekocht, gegessen, geschlafen und Wache geschoben. Immer mindestens jemand muss Ausguck halten, damit wir weder auf einen schlafenden Wal, einen Container oder ein anderes Schiff auffahren. Teilweise sehen wir auf dem AIS (Chartplotter) ob uns ein Schiff kreuzen wird, teilweise auch nicht. Gerade vor der Küste Marokkos sind viele Schiffe unsichtbar unterwegs.
Während Lucas Nachtwache von 03:00 - 04:00 Uhr sieht er auf einmal ein grünes und ein weisses Licht auf unserer Backbordseite. Das ist nicht gut, denn dieses fremde Boot fährt auf Kollisionskurs. Er weckt Martin und sie ändern unseren Kurs, um auszuweichen.
Das fremde Boot aber ändert den Kurs ebenfalls und fährt immer weiter auf uns zu. Nicht einmal mehr 5m weit entfernt wird es Martin zu bunt. Er geht auf Vollgas und rast davon. Wir in unseren Kojen werden durch die heulenden Motoren aus dem Schlaf gerissen und verstehen nicht, was gerade passiert ist. Waren das Piraten? Ein Fischer, der uns etwas verkaufen wollte? Wir werden es nie rausfinden...
Die unglaubliche Kraft des Windes oder wie unser Spinnaker riss
Auf dem Atlantik wird es nachts kalt. Die Feuchtigkeit und der Wind dringt in die Kleidung. Durch die salzige Gischt wird der Stoff nie mehr ganz trocken und der Schlafsack ist klebrig vor lauter Salz. Wenn ich meine Nachtwache von 04:00 - 05:00 Uhr beendet habe, freue ich mich jeweils auf den vorgewärmten Schlafsack, den Luca extra zu sich in den Schlafsack nimmt.
Doch in dieser Nacht ist es zu rau, um schlafen zu können. Wir sind mit über 10 Knoten speed unterwegs, der Wind ist böig bis zu 25kn. Wir segeln mit dem Spinnaker, einem dünnen Leichtwindsegel. Wir krachen in die Wellen, die Schäkel klacken oben aufs Deck und die Ruder schwingen in einem ganz tiefen Brummen. Es wird immer wilder - bis plötzlich gar nichts mehr zu hören ist!
Kurz darauf wird der Motor gestartet. Ich denke mir: "Ouou, gar nicht gut!" und schlüpfe schnell in meinen Pulli, um nachzuschauen, was los ist. Oben angekommen erkenne ich, dass der Spinnaker gerissen ist! Nicht nur ein bisschen, sondern das ganze Horn ist ausgerissen.
Da ich auf Samira schon einmal beim Segel bergen geholfen habe und weiss, wie schwer so ein Segel im Wasser werden kann, hole ich Luca dazu. Er hilft Martin, das Segel einzufangen und in den Segelsack zu stopfen. Wir setzen die Fock und die Fahrt geht etwas ruhiger weiter.
Land in Sicht!
Nach über 500 nautischen Meilen und 5 Tagen sehen wir als erstes die kanarische Insel 'La Graciosa'!
Wir ankern und erfreuen uns an den sanften Bewegungen des Schiffs, an der Stille und der Möglichkeit, schwimmen zu gehen. Um unseren Kreislauf wieder anzukurbeln wandern wir auf den Vulkan ganz im Süden der Insel. Die Aussicht von da oben ist spektakulär!
Schwimmen mit Grindwalen
Die letzte Überfahrt mit der too wild steht an. Wir segeln nochmals einen Tag und eine Nacht, um die 150nm bis nach Teneriffa zu bewältigen. Auf den letzten paar Meilen sind wir plötzlich wieder von Grindwalen umgeben.
Dieses Mal schwimmen sie unglaublich nahe ans Boot heran. Wir bergen die Segel und Martin meint, es wäre sogar möglich, mit ihnen ins Wasser zu gehen. Niko lässt sich das nicht zweimal sagen und hüpft rein. Wir sind ein bisschen zögerlicher, da die Regel Nr. 1 lautet: Niemals auf offenem Meer das Boot zu verlassen.
Aber es kommen immer mehr Wale, das Boot steht still und das Meer ist spiegelglatt. So können wir doch nicht widerstehen und hüpfen ebenfalls hinein. Es ist magisch, die stolzen Tiere unter Wasser beobachten zu können. Wir hören ihr Pfeifen und Klicken und sehen sogar eine Mutter mit Kalb. Was für ein Erlebnis!
Die Seele baumeln lassen
Die letzten 4 Tage verbringen wir mit Buchtenhüpfen an der Südostküste von Teneriffa.
Wir schnorcheln, tauchen durch Höhlen, trinken Aquarium-Gin und erkundigen Fischerdörfchen. Wir sind an Land und im Wasser unterwegs, es ist herrlich.
Teneriffa erkunden
Wir verbringen jetzt einen Monat auf den Kanaren, bevor es dann per Segelboot in die Karibik geht.
In diesem Monat werden wir mit dem Auto unterwegs sein und liebe Freunde und Familienmitglieder treffen. Wir freuen uns auf die Zeit an Land, vermissen das Leben auf dem Meer jedoch schon jetzt.
Aber bis dahin gehen wir halt einfach noch etwas mehr schnorcheln und tauchen! ;-)
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