Bienvenidos a Valencia

Veröffentlicht am 25. September 2024 um 19:14

Von Tapas, Regen und Streit

Die Vielseitigkeit dieser Stadt hat uns unvorbereitet getroffen. Wie wir Valencia doch noch lieben gelernt haben, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Kontrast

Die letzten drei Wochen haben wir in der Nawal-Bubble verbracht. Unser gesamtes Leben hat sich auf ungefähr 20m2 abgespielt. Die Eindrücke waren vorwiegend blau; kristallblaues Wasser oder himmelblaue Weite bis zum Horizont.
Die Tage waren erfüllt von kurzfristigen Entscheidungen, die Zeit plätscherte dahin und wir haben sie tiefenentspannt genossen.

Und nun reisen wir über Nacht von Marseille nach Valencia.
Viel wissen wir nicht über diese Stadt. Die Entscheidung hier zwei Wochen zu verbringen, war aus dem Bauch heraus. Valencia ist die drittgrösste Stadt Spaniens mit 2,6 Mio. Einwohnern, unzähligen Sehenswürdigkeiten, vielen Farben und einer immensen Lautstäke. Sie wurde 2024 zur grünsten Stadt Europas gekürt, überall flitzen Leute auf Fahrrädern und E-Scooter rum, es läuft an jeder Ecke etwas.

Uns verschlägt sie buchstäblich den Atem - wir sind orientierungslos, hoffnungslos überfordert und wissen nicht, wo wir mit Erkundigen beginnen sollen. So verbringen wir den ersten Tag einfach in unserem Airbnb.

Von Tapas und Streit

Am nächsten Tag machen wir uns gegen Abend auf den Weg ins Zentrum. Unser Airbnb liegt ausserhalb, aber auf der Karte scheint der Weg nicht so lange.
Mit den Public-Bikes, den Valenbisi, radeln wir los.  Wir radeln und radeln und sind immer noch nicht angekommen. Nach ca. 30min auf den klapperigen Fahrrädern erreichen wir die Plaza del Ayuntamiento. Wunderschöne historische Gebäude, rosa Marmor unter den Füssen und sanftes Abendlicht.
Wir gehen einfach der Nase nach, staunen und schauen. Plötzlich meldet sich der Magen. Wo kriegen wir etwas zu essen, das nicht völlig überteuert ist?

Wir versuchen, aus dem Zentrum zu spazieren, doch wieder sind 30min vorbei und wir stecken immer noch inmitten des Trubels. Nun wirklich hungrig streiten wir uns: Sollen wir mit den Fahrrädern irgendwohin fahren? Oder eine U-Bahn suchen? Doch wir kennen die Haltestellen und Nummern noch nicht. Wie löst man jetzt dieses ******* Ticket?
Wenn wir nicht gerade streiten, schweigen wir uns an. Jeder ist mit seinen Kräften am Ende. Valencia, du bist uns zu gross.

Nochmals eine Stunde später sitzen wir in einer kleinen Tapas-Bar. Glücklich, mit leckeren Tapas vor uns, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Das Cerveza hat sicher auch geholfen! ;)

La Ciudad de las Artes y las Sciencias

Am nächsten Tag radeln wir zum modernen Teil der Stadt. Der Architekt Santiago Calatrava hat hier seine Zukunftsvision wahr werden lassen. Die futuristischen Gebäude beinhalten ein Muesum, eine Art Aquarium, ein IMAX-Kino und das Opernhaus.

Wir besichtigen die Gebäude und sind schwer beeindruckt von dieser avantgardistischen Architektur. Abgelenkt durch die Schönheit der Gebäude, merken wir zu spät, dass schon lange Mittagszeit ist. Wieder haben wir den Moment verpasst, um zu essen und wieder endet der Tag im Streit.
Nun muss eine Strategie her: Wir wollen alle 2h etwas knabbern und alle 4h irgendwo eine längere Pause machen. Sei es vom Velofahren oder vom Gehen, die Strecken sind immer länger als gedacht und es ist nach wie vor über 30 Grad – wir müssen unsere Kräfte besser einteilen lernen.

El museo de las fallas

Immer im März bebt Valencia. Das ‘fiesta de las fallas’, ähnlich unserer Fasnacht, findet statt. Die Vereine aus den verschiedenen Quartieren bauen Fallas. Das sind satirische Szenen mit einzelnen Ninots (Figuren) darauf. Sie benutzen Holz, Wachs, Stoffe, Karton und Pappmaché.
Am letzten Tag werden diese Fallas angezündet. Sie brennen, explodieren und die ganze Stadt ist voller Rauch. Ausser den drei beliebtesten Ninots wird die monatelange Arbeit restlos abgefackelt. Diese jährlichen drei Figuren bestaunen wir nun im Museum.

Als wir ein paar Tage später durch das Quartier el Carme schlendern, erklingt plötzlich Musik und Gelächter. Wir folgen den Geräuschen und treffen mitten in eine Fallas-Versammlung. Es wird laut debattiert, die ‘Fallera Mayor Infantil’, die Königin dieses Vereins, steht wunderschön geschmückt mitten in der Menge. Sie besprechen wohl die Fallas 2025. Also wer im März noch nichts los hat – Valencia wartet!

Sprachschule El Rincon del Tandem

«Der Anfängerkurs hat vor 2 Wochen angefangen, wollt ihr trotzdem mitmachen?» «Ja, logo!»
Ausgerüstet mit neuen Schreibheften sitzen wir im Sprachkurs. Die ersten beiden Lektionen sind lustig, wir lernen verschiedene Geschäfte zu benennen und gehen auch zu einer Art Postenlauf raus.
In der zweiten Lektion geht es um unregelmässige Verben. Luca und ich schauen uns an, wir haben absolut keinen Plan. Frisch-fröhlich drauflos ratend geben wir nur falsche Antworten. Ob wir in diesem Kurs wirklich richtig sind?

Doch nach ein paar Tagen haben wir uns eingewöhnt. Das Vocabular sitzt und die Verben werden auch schon richtiger geraten. Lucas Highlight ist der Mittwochabend, da geht nämlich die ganze Sprachschule zusammen aus. Für nur 2€ gibt es Tinto de Verano im Pint-Glas und auch das Cerveza fliesst in Strömen. Me gusta mucho, gracias!

Flamenco in El Carme

Nach nun fast zwei Wochen in Valencia finden wir uns mittlerweile wunderbar zurecht. Wir essen in einer kleinen Bar ein paar Bocadillos (Sandwich) und trinken einen Tinto de Verano, umringt von Einheimischen.
Anschliessend machen wir uns zum Café del Duende auf, denn da findet heute Abend eine Flamenco-Show statt.

Im schummrigen Licht wirbelt die Flamencotänzerin umher, bauscht ihre Röcke und stampft mit den Absätzen auf den Boden. Sie kämpft für die Liebe, gegen die Armut und für die Freiheit – uns haut es fast vom Hocker.
Auch der Gesang ist Gänsehaut pur. Die zwei Männer leiden, schreien und singen. Obwohl wir nicht wirklich verstehen, worum der Text geht, die Emotionen lassen uns alles andere als kalt. Diese Mischung ist einmalig und als wir durch die Nacht in Richtung Taxistand gehen, haben wir uns felsenfest in Valencia und dessen Einwohner verliebt.

Valencia CF im Estadio Mestalla

Die Wendeltreppe hört und hört nicht auf. Mangelns Beschriftung frage ich einen komplett tätowierten, schwarz vermummten Typen, wo denn unsere Plätze sind. Freundlich hilft er uns, sie zu finden.

Als wir von den vielen Treppen ins Stadion gelangen, fallen uns fast die Augen aus dem Kopf. Woah, ist das riesig! Und wir sind unglaublich weit oben!
Endlich ist es so weit und wir erfüllen Lucas Traum: Einmal einen Fussballmatch von La Liga zu schauen, denn heute spielt Valencia gegen Girona.

Valencia hat diese Saison noch nie gewonnen, umso mehr geben die Fans alles, sie anzuspornen. Nach ca. 60min fällt das erste Goal und das Stadion bebt. 1:0 für Valenciaaa!!! Goaaaal!! Der Stadionsprecher überschlägt sich und während alle noch am Jubeln sind wieder – gooooal!! Schon steht es 2:0.

Was für ein Spiel, was für einen Abend. Nach dem Abpfiff spazieren wir mitsamt den anderen 41'000 Fans zurück in die Stadt.

Valencia, ¡eres única! Al principio no te entendíamos, pero ahora estás en nuestros corazones. Muchissimas gracias!


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Kommentare

Anita Richli
Vor 6 Monate

Hoi Viviane
Lese deine eure Reiseberichte sehr gerne. Humorvoll und ehrlich.
Bin jetzt gerade in einem Arbnb in Alicante. So schön, noch einmal Sommer.
Liebi Grüess Anita Richli

Hanspi
Vor 5 Monate

Liebe Vivi, Lieber Luca
Danke für die fleissige Schreibarbeit - ich lede eure Berichte immer sehr gerne, die auch immer sehr interessant und in einem sehr guten Schreibstil erscheinen!
Ich wünsche euch eine spannende Fortsetzung eurer Reise und freue mich jetzt schon, wieder von euern Sbenteuern zu lesen.
Aber bitte: verpflegt euch in regelmässigen Abständen. Ich bin ja eigentlich ein sehr gutmütiger Zeitgenosse. Aber wenn ich Hunger, und nichts zu essen habe, ja, dann werde ich so ein richtiger „Sürmel“ - einfach unausstehbar. Bitte strapaziert eure Liebe
nicht damit.
Mit ganz herzlichen Grüssen und Wünschen für eine weiterhin glückliche Reise, hanspi