Tanzen in Martigues

Martigues

Im Internet wird Martigues als ‚Venedig von Frankreich‘ beschrieben. Wir finden diese Aussage ziemlich übertrieben, denn fürs Auge hat Martigues nicht viel zu bieten. Aber dafür sonst einiges – kommt mit!

Ankunft

Als wir vom Airbnb in Aix en Provence losstiefeln, hat Luca eine ganze Stunde eingeplant, um den nur 1 Kilometer entfernten, grossen Busbahnhof zu erreichen. Ich zeige ihm den Vogel. Eine ganze Stunde?! Sicher nicht! Doch er setzt sich durch.

Unsere 18‘736 Sachen sind in Rucksäcke (2x gross, 2x klein), neue Rolltasche und immer noch in die eine mühsame Sporttasche gepackt. Wir sind unterwegs in Richtung Bushaltestelle, die uns Google Maps zeigt. Doch dort angekommen gibt es gar keine Bushaltestelle!
Nun marschieren wir halt schlecht gelaunt weiter. Wir fragen eine Aixerin, welchen Bus sie uns empfehlen würde. Sie meint, es wäre der 5er und er würde dort drüben in 8min fahren. Wir bedanken uns und checken kurz den Fahrplan. Dort steht, der Bus käme erst in 14min! Für unseren Anschluss am Busbahhof wäre das aber zu spät!

Wir rennen los, nun müssen wir halt doch die ganze Strecke zu Fuss gehen. Ich schaue rasch zurück und sehe plötzlich den 5er Bus um die Ecke biegen – hö?!
Wir rennen wieder zurück zur Bushaltestelle und steigen in letzter Sekunde an verschiedenen Türen ein.

Per Handzeichen (kä Probleem, wir sind ja Taucher) verständigen wir uns, noch eine extra Haltestelle weiterzufahren, um näher am Busbahnhof anzukommen. Als sich die Türen schliessen, höre ich nur noch von aussen: „Viviane!!“ und sehe Luca verzweifelt winken! Ich fahre verdattert an ihm vorbei – uups!

Nach diesem feudalen Start machen wir ab, dass Luca ab jetzt immer und ohne Diskussion Zeit-Chef ist. 4h später checken wir erschöpft im neuen Airbnb ein.

Ein Feste feierndes Volk

In Martigues angekommen erkundigen wir das Städtchen. Im Vergleich zu Aix ist nicht viel los und wirklich schön ist es nicht. Auch der Étang de Berre, angepriesen als grösster Teich Europas, ist mehr eine algenbewachsene Pfütze. Wir verbringen einen Nachmittag an dessen ‚Plage‘, doch dann haben wir es satt. Frustration macht sich breit, wie wollen wir hier eine Woche lang die Zeit totschlagen?
Unser nächstes Segelboot nimmt uns drum von hier mit, darum müssen wir in der Nähe bleiben.

Auf der Homepage martigues-tourisme.com lesen wir, dass fast jeden Tag irgendein Fest ansteht. Wir können es kaum glauben, dass hier wirklich abends der Bär steppen soll - das müssen wir mit eigenen Augen sehen!

Noch ist es zu früh, deshalb geniessen wir ein Melonen-Chääs-Plättli und eine Flasche Rosé im Garten des Airbnbs.
Später treffen wir im Städtchen ein. Um 19:40 Uhr ist noch nichts los. Um 20:00 Uhr sitzen wir zusammen mit 4 älteren Damen auf den Stühlen vor der Bühne, das Konzert beginnt. Naja, die Stimmung ist so mässig.
Doch eine halbe Stunde später ist das Gelände rappelvoll, die französischen Damen und Herren schwingen das Tanzbein und nippen dazu an ihrem Weinglas. Woah, das haben wir nicht erwartet! Gerne lassen wir uns anstecken von dieser Euphorie - es wird ein wirklich toller Abend!

Plage du Verdon

Da es immer noch sehr heiss ist, beschliessen wir mit dem Bus in einer Stunde zum Stand zu fahren. Wir staunen nicht schlecht, als morgens um 10:00 Uhr schon die ersten Familien mit Campingausrüstung (plus mobilem Kühlschrank) ihren Standbereich in Beschlag nehmen.
Wir geniessen das salzige Wasser, die Sonnenstahlen auf der Haut und lassen uns vom Trubel nicht stören. Den online-Fahrplan rasch gecheckt, laufen wir 15min vor Busabfahrt in Richtung Haltestelle, wir haben ja schliesslich was gelernt!
Doch warum fährt der Bus 10min zu früh vor unserer Nase durch? Wieder einmal stimmen die Zeiten des digitalen Fahrplans nicht mit der analogen Abfahrtstafel an der Haltestelle überein. Nun heisst es eine Stunde warten. Merci beaucoup!

Wanderung zur Mühle und Notre Dame

Heute ist schlechtes Wetter und es steht auch kein Fest an. Wir hängen im Airbnb rum und wissen nicht so recht, was wir tun sollen.

Ich schlage vor, wir könnten ja mal die alte Mühle abchecken, die wir jeweils vom Bus aus sehen. Luca ist mässig begeistert. Trotzdem lässt er sich überreden und wir stampfen den Hügel hoch. Oben angekommen wäre die Aussicht ganz nett, würden nicht so viele heruntergekommene Hochhäuser das Bild verderben.
Da sehen wir auf einem weiter entfernten Hügel etwas Interessantes. Ist es eine Burg, ein Kloster oder eine Kirche?

Auf dem Weg dorthin ruft Luca plötzlich: „Stopp, da ist eine kleine Schlange!“ Ich suche und suche, entdecke sie aber nirgends. Auf meine Nachfrage hin zeigt Luca auf einen kleinen Tausendfüssler, der munter vor sich her trappelt. Wir lachen – dieser Gefahr sind wir knapp entkommen!

Das Gebäude stellt sich als Notre Dame de la Garde heraus, eine Kapelle, die 1613 erbaut wurde. Seit vielen Jahrzehnten trotzt sie dem Wind und weist den Seeleuten ihren Weg. Online lesen wir, dass Besucher im Sommer kostenlos hinein dürfen um den weissen Marmoraltar und die Wandmalereien zu bestaunen.
Leider ist aber der Eingang mit einem massiven Schloss abgesperrt – Frankreich, toll wie du online Touristen berätst!

Fête des pêcheurs

Wir haben Glück – heute steht der grosse Thunfischfangwettbewerb von Martigues an!
Drei Tage lang fahren die Fischer aufs Meer hinaus und jeweils abends wird der Tagessieger gekürt. Gewonnen hat, wer den längsten Thunfisch rauszieht.
Es ist beeindruckend, was für Viecher sie mit dem Gabelstapler von den Booten hieven. Es stinkt, ist blutig und doch irgendwie faszinierend.
Der heutige Sieger hat einen Thunfisch von 1.70m Länge rausgezogen – länger als ich gross bin!! Wir erfahren, dass die Thunfische dieses Jahr aber eher klein sind. Die Mindestgrösse zum Fangen ist nämlich 1.60m. Vor 4 Jahren wurde der Rekordfisch mit 2.50m gefangen.

Später beginnt das Fest. Eine Coverband spielt auf der Bühne, die Leute sitzen auf den Festbänken davor und plaudern, am Spiess dreht sich das Spanferkel. Da müssen wir einfach mitmachen!

Als einzige Touristen quetschen wir uns an einen Tisch und sofort werden wir auf Französisch gefragt, ob wir auch von ihrer Flasche Rotwein wollen. Bien sur – und schon sind wir voll integriert! Claire und Pierre sind in unserem Alter, sie segeln ebenfalls und es wird ein spannender Abend, mit vielen Geschichten und einem wunderbaren kulturellen Austausch.
(P.S. danke Eltern, habt ihr mich zum Französisch-Sprachaufenthalt überredet! 😉)

Ausblick – endlich wieder auf ein Boot!

Mit leichten Kopfschmerzen wachen wir nach unserer letzten Nacht im Airbnb auf. Heute sollte der Reisetag einmal nicht schrecklich werden, denn wir haben einen zweiten Rollkoffer gekauft! Yey!

Auch vereinfacht sich die Situation dadurch, dass wir nur zum 20min entfernten Hafen ‚Horizon Marine‘ müssen, um dort auf der ‚NAWAL‘ einzuchecken. Dies ist das Segelboot von Torsten, eine Beneteau Oceanis Clipper 423 aus dem Jahr 2004.

Wie/ ob wir ankommen und ob bei diesem Boot alles in Ordnung ist, lest ihr dann im nächsten Beitrag. 😉


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