Wie wir von einem Boot zu keinem kamen

Veröffentlicht am 28. Juli 2024 um 16:54

Der Titel verrät schon ziemlich, dass sich in den letzten 2 Wochen vieles geändert hat. Doch wie kam es dazu?

Wir hatten ja ausgemacht, dass wir mit Samira, dem Boot unseres Freundes, auf Weltreise gehen. Geplant war zuerst ein einmonatiger Ausbildungsturn mit Hans und dessen Lebenspartnerin, dann einen Monat Refit in der Werft und anschliessend ab Mitte Sept. die grosse Reise.

Nun spulen wir zwei Wochen zurück und erzählen euch, warum nun alles anders kommt.

Der Anstrich:

Wie im letzten Bericht angekündigt, soll Samira einen neuen Anstrich von einer professionellen Firma vor Ort bekommen. Als wir sie zum ersten Mal sehen, sind wir absolut begeistert von dem wunderschönen Bordeauxrot, in welchem sie erstrahlt!
Jedoch bei einem genaueren zweiten Blick erlischt die Begeisterung. Die Farbe ist stümperhaft aufgetragen, das alte Blau schimmert noch durch und kann es sein, dass sie gar nicht gesandstrahlert wurde?
Wir reklamieren, der Maler geht nicht darauf ein, ein Rechtstreit entsteht. Der Hafenmeister, die Rechtschutzversicherung, eine Anwältin und sogar der Zoll sind nun involviert. Wir werden kurzzeitig erpresst und an die Kette gelegt (sprich, am Auslaufen gehindert), es ist echt unschön. Denn wir bezahlen die Rechnung solange nicht, bis sie entweder angepasst oder die fehlenden Arbeiten erledigt werden. Und ohne bezahlte Rechnung dürfen wir die Werft nicht verlassen.
Nun sind wir schon 3 Tage länger auf dem Trockenen, als geplant. Aber an Arbeit mangelt es nicht! ;-)

Die Kaution

Es hilft nichts, ein Gutachter muss her, denn wir bezahlen die Rechnung nicht, solange die Arbeit nicht gemäss Offerte erledigt wird oder der Preis nicht den (schludrigen) Leistungen entspricht. Wir telefonieren, die Werft, die Anwältin und sogar der Zoll telefonieren - doch alle Gutachter aus der Umgebung sind in den Sommerferien.

Nun kommt die Idee auf, das Geld (immerhin rund 14'000.-) irgendwo als Kaution zu hinterlgen. Wir fragen den Hafenmeister, ob er es verwahren würde und er ist einverstanden. Wir informieren den Zoll, dieser ist entzetzt!! In Frankreich darf man Geld nur bei einem Notar hinterlegen, sicher nicht bei einem Hafenmeister! Nun sind wir auf der Suche nach einem Notar...

Das Einwassern

Der Notar wurde gefunden, das Geld hinterlegt und die sprichwörtlichen Ketten gelöst.
Der grosse Kran fährt nun endlich auf Samira zu und hebt sie hoch. Währenddessen fällt eine Stütze um und beschädigt ihren neuen Antifouling-Anstrich am Rumpf. Ein erneutes Drama beginnt.

Long story short - wir können dennoch an diesem Abend einwassern.

Samiras Rumpf berührt das Wasser, wir sind alle euphorisch und wollen sofort los - alle, ausser der Motor. Der will nicht anspringen!

Nach längerem Suchen und Werweisen erkennen wir, dass bei der Salzwasserpumpe der Anschluss gerissen ist. Diese Pumpe kühlt den Motor und ohne Kühlung kein Weiterkommen. Nach 4h ist alles repariert.

Das Auslaufen

Der Motor rennt, wir fahren den Kanal entlang in Richtung offenes Meer. Nach ca. einer Stunde motoren, mitten im dicht befahrenen Verkehrstrennungsgebiet, bemerken wir Rauch aus dem kühlenden Salzwasserauslass.
Sofort Motor aus! Da fast kein Wind herrscht, sind wir einen Moment lang manövrierbehindert - um uns herum nur grosse Containerschiffe und Tanker, die uns anhornen. Nicht gut.
Plötzlich kommt eine Briese auf und wir hissen das Leichtwindsegel. So verlassen wir den Kanal und ankern vor la Ciotat. Der Deckel zum Motor wird wiederum aufgemacht und ca. 6h später wurden die Schläuche vom Wärmetauscher ausgewechselt. Nun sollte endlich alles gut sein.

Nachtfahrt im Sturm

Nachdem der Proviant aufgestockt und die Route angepasst wurde, entscheiden wir, nach Mallorca zu segeln. Dies bedeutet 3-4 Tage und Nächte durchsegeln. Wir planen die Mahlzeiten, die Nachtwachen und freuen uns extrem darauf!
In der ersten Nacht ist noch mit Ausläufern des Starkwindes Mistral zu rechnen, nachher sollte es ruhiger werden. Wir segeln extra ziemlich weit östlich, um nicht in die 40 Knoten Windzone zu kommen.

Auf einmal wache ich in meiner Koje auf, weil mein Fenster unter die Wasseroberfläche gedrückt wird. Ich steige schnell in mein Ölzeug und die Rettungsweste und gehe an Deck. Dort ist die Hölle los - 3m Welle, Samira krängt extrem und jedes Mal, wenn die Reling unter Wasser geht, scheppert alles und fliegt umher.

Wir wollen den Kurs ändern, da wir doch zu weit westlich gekommen und somit in der 40 kn Zone gelandet sind. Wir steuern und steuern, doch das Ruder bewegt sich nicht. Was ist denn jetzt schon wieder los?!

Wir bemerken rasch, die Hydraulik des Steuerrads ist kaputt. So können wir nur noch mit der Notpinne steuern, was unglaublich viel Kraft braucht. Ich (Viviane) schaffe es z.B. nicht. Das heisst, nun werden sich Hans und Luca über die nächsten 12h stets abwechseln müssen. Ich bin ebenfalls immer an Deck, falls ein Segel dichtgeholt werden muss oder sonst etwas ansteht, da die Männer die Notpinne nicht loslassen können. Logisch, segeln wir so nicht nach Mallorca, sonden nehmen wiederum Kurs auf die Küste Frankreichs. Quasi 12h hin und jetzt wieder 12h zurück.

Der Supergau

In Hyères angekommen setzen wir unter Motor den Anker. Der ist zwar schnell eingefahren, aber es kommt wieder Kühlwasser aus dem Motor. Wie kann das sein?
Einzige logische Erklärung, irgenwoher muss Salzwasser in den Kühlkreislauf kommen und somit die Menge des Kühlwassern erweitern, so dass es rausdrückt. Und dieses Salzwasser im Motor ist der Genickbruch unseres Ausbildungsturns. Samira muss zurück in die Werft und dort generalüberholt werden. Wir dürfen nicht mehr unter Motor fahren, um ja nicht noch mehr Salzwasser in den Kreislauf zu holen. Es wird also spannend, den ganzen Weg nur unter Segel zurückzulegen!

Die Erkenntnis

Nun sind wir seit ca. 2 Wochen auf Samira. Jeden Tag ging etwas kaputt oder lief einfach nicht richtig. Sie war 2 Jahre auf dem Trockenen und da haben sich viele Standschäden angehäuft. Sie ist leider noch nicht wirklich bereit für eine grosse Reise, ohne stetigen Zugang zu einer Werft und so verabschieden wir den Gedanken, mit ihr auf Weltreise zu gehen.

Auch Luca und ich haben gemerkt, dass wir in einer Notsituation alleine überfordert sind. Ohne Motor und ohne Steuerrad zu ankern war eine grosse Herausforderung, und dazu noch mitten in der Nacht in einem Ankerfeld voller anderer Segelboote!

Wir merken, dass wir zuerst noch mehr Erfahrung sammeln wollen, bevor wir alleine lossegeln. Nun sind wir auf der Suche nach Segelbooten die bereit sind, zwei neue, motivierte Crewmitglieder mitzunehmen!

Falls also jemand jemanden kennt, der in Südfrankreich auf einem Segelboot ist oder eines chartert, bitte melden! ;-)

Externe Bildquelle:
Anita Troller, InterConnections Zürich


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